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Channel: Digitaler Hebel » @Achtr
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Bitte nicht jedes Wissen ausgliedern

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Die Fahrt mit einem Berliner Taxi am 1.  Weihnachtsfeiertag hat mich zu diesem Blogpost inspiriert.

Mir begegnen ab und zu Leute, die die Meinung vertreten: “Diese ganzen Apps, Smartphones, Webdienste und so, die sorgen doch nur dafür, dass wir Menschen kein Stück mehr selbst überlegen müssen. Jetzt werden wir alles dumpfe Idioten, die das Denken verlernen.”

Da kann ich nur sagen: Gut so!

Ein Taxi-Meme

Wenn du durchhältst und weiter bis zum Ende liest, dann wirst du auch erfahren, was das alles mit Taxis zu tun hat.

Überlegen wir nochmal kurz, wozu Computer ursprünglich erfunden wurden: 1. damit sich diese Maschinen Dinge merken, die Menschen einfach nur nerven (z. B. Daten im Reinformat) und 2. um immer wiederkehrende Operationen zu übernehmen, die den durchschnittlichen Menschen schlicht anöden und in die Depression treiben.

Ergo, wenn ich bei der Post arbeite und dort Briefe wiege und immer wieder die Entscheidung zu fällen habe, ob das Porto auf dem Umschlag ausreichend ist (bis 20 g sind es etwas 60 Eurocent, darüber dann entsprechend mehr), dann ist das derart anspruchslos, dass ich mir recht schnell überlege: “Kann das nicht eine Maschine machen?”

Kann sie. Soll sie.

Oder wenn auf der Montagestrecke bei Volkswagen in Wolfsburg mehrere 100 mal am Tag immer wieder die gleiche Schraube in die gleiche Stelle vom Golf 7 geschraubt wird, dann denkt man sich auch: Kann das nicht ein Roboterarm machen?

(Zugegeben, hier gibt es auch andere Beschäftigungsmodelle, bei denen Mitarbeiter regelmässig zwischen anspruchsvollen und monotonen Aufgaben wechseln. Netter Ansatz, aber ich muss sagen, bei bestimmten Tätigkeiten würde ich bereits nach einer halben Stunde durchdrehen.)

Und auch bei komplexeren Aufgaben können Computer mittlerweile wenigstens mit etwas (simulierter) Intelligenz dem Benutzer das Leben vereinfachen. Wenn eine App die Daten eines Wetterdienstes ausliest und interpretiert, dazu dann Termine im Kalender und den eigenen Kleiderbestand durchforstet, dann kann sie am Morgen  sagen: “Heute ist es kalt und  regnerisch, du hast ein Vorstellungsgespräch – zieh diesen Anzug an und vergiss den und den Mantel nicht. Und diese Schuhe hier sind sowohl repräsentativ als auch wasserdicht.” (Semantisches Web nennt man das, richtig?)

Aber wenn ein Hirnchirurg in den OP tritt, dann erwarte ich (keine Ahnung, wie du das siehst), dass er nicht erst Wikipedia und Google aufruft, um zu gucken, an welchen Nervenenden er rumsägen muss. Bestimmtes Expertenwissen muss man einfach sofort parat haben,quasi aus dem Effeff.

Foto vom Rathaus Spandau auf Wikipedia.de

Das Rathaus Spandau kennt ja wohl jeder. Du etwa nicht??

Und damit die Experten genau für solches (Herrschafts-)Wissen Platz im Kopf haben, ist es notwendig, dass man ihnen Banalitäten des Denkens abnimmt: Du fliegst morgen nach Paris? Hier ist ein E-Mail oder eine Push-Nachricht, die dich erinnert, dass du noch einchecken musst, willst du morgen nicht 2 Stunden, sondern maximal 40 Minuten vor dem Abflug am Airport sein (vor allem, wenn der Flieger um 6.45 Uhr startet und um 4.45 Uhr der Flughafen noch nicht mal geöffnet ist!)

Und was hat das alles jetzt mit der anfangs erwähnten Taxifahrt zu tun?

Ganz einfach: Wenn ich in Berlin nahe dem Alexanderplatz in ein Taxi steige und dem Fahrer sage, dass ich gern zum Rathaus Spandau möchte, dann erwarte ich, dass der Kerl antwortet: “Allet klar, Meesta” und direkt losfährt.

Wenn er aber erst anfängt, mühsam in seinem Navi rumzutippen, um das Rathaus und die Route dorthin zu suchen, dann mache ich innerlich ein Facepalm und frage mich: “Müssen die Maschinen einem wirklich alles Denken abnehmen???”


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